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AutorenbildRobert Eichler

Internal Investigations: Zielsetzungen und Interessenslagen

Aktualisiert: 6. Mai


Interne Untersuchungen
Internal Investigations


Vor der Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung muss die Zielsetzung der Untersuchung bestimmt werden. Um die Zielsetzung klar zu erkennen, ist es erforderlich, die Interessen des Unternehmens und die mit der Untersuchung verbundenen Risiken herauszuarbeiten. Das ist wesentlich, weil sich die Untersuchungshandlungen und die Intensität der Untersuchung maßgeblich nach der Zielsetzung, den Unternehmensinteressen und den Risiken richten.


Eine zentrale Rolle spielt dabei die Frage, ob Behörden in die Untersuchung involviert sind und worauf deren Interesse gerichtet ist. Für einen besseren Überblick werden zunächst die unterschiedlichen Szenarien dargestellt:


1. Reguläre Revisionsprüfungen


Die Hauptaufgabe der Internen Revision besteht darin, Geschäftsprozesse (etwa Purchase-to-Pay, Order-to-Cash etc) und die Einhaltung der internen Kontrollen zu prüfen. Die Tätigkeit der Internen Revision erfolgt in der Regel konsensorientiert und in Abstimmung mit den geprüften Funktionen. Strafrechtliche oder kartellrechtliche Themenstellungen kommen bei prozessorientierten Revisionsprüfungen praktisch nicht vor. Bei der Prüftätigkeit handelt sich um einen rein unternehmensinternen Vorgang ohne die Beteiligung von Behörden. Anders als in kartellrechtlichen Themenstellungen und anders als bei den Fällen von Mitarbeiter- und Unternehmenskriminalität müssen daher keine weiteren Überlegungen zu den Interessenslagen im Unternehmen und zu den möglichen Risiken (von parallel geführten behördlichen Untersuchungen) angestellt werden.


2. Kartellrechtliche Untersuchungen


Kartellrechtliche Verstöße, wie unzulässige Preisabsprachen, stellen für ein Unternehmen aufgrund der Höhe der Strafdrohungen und der möglichen zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche ein erhebliches Risiko dar.


Der wesentliche Unterschied zu typischen Revisionsprüfungen besteht darin, dass das Aufdecken von kartellrechtlichem Fehlverhalten eine intensive Diskussion zum Umgang mit dem Haftungsrisiko des Unternehmens mit sich bringt. Dies erfordert aus Sicht der Unternehmensleitung eine genaue und rechtzeitige Prüfung, wie das Unternehmen mit diesem Risiko umgehen soll. Wird ein kartellrechtliches Fehlverhalten aufgedeckt, kommt die Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung oder die schlichte Beendigung des Fehlverhaltens in Frage. Bei der schlichten Beendigung des Fehlverhaltens besteht für den Zeitraum der Verjährung das Risiko, dass das Fehlverhalten den Kartellbehörden von einem anderen am Kartell beteiligten Unternehmen gemeldet wird. Mitunter macht sich das Unternehmen auch erpressbar gegenüber jenen Personen, die vom kartellrechtswidrigen Verhalten Kenntnis erlangen, aber selbst kein kartellrechtswidriges Fehlverhalten gesetzt haben. Bei der Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung besteht hingegen das Risiko, ob diese überhaupt erfolgreich geltend gemacht werden kann (etwa, weil das kartellrechtswidrige Verhalten in mehreren Jurisdiktionen mit unterschiedlicher Behördenpraxis gesetzt wurde) zudem würde das Fehlverhalten öffentlich bekannt werden. Es drohen Reputationsschäden und Schadenersatzansprüche von Kartellgeschädigten (private enforcement).


Diese Komplexitäten führen zu unterschiedlichen Interessenlagen zwischen dem Unternehmen, seinen Führungskräften, den Behörden und den Geschädigten. Mangels einer persönlichen strafrechtlichen Haftung der beteiligten Personen reichen diese aber nicht ganz an die Komplexität der Unternehmenskriminalität heran. Allerdings drohen beteiligten Mitarbeitern arbeitsrechtliche Konsequenzen. Die Geltendmachung von arbeitsrechtlichen Konsequenzen sollte jedoch wohlüberlegt sein, weil Unternehmen mitunter auf die Wahrung der Vertraulichkeit und die Kooperation ihrer Führungskräfte angewiesen sind unabhängig davon, ob Kronzeugenregelungen in Anspruch genommen werden oder das kartellrechtliche Fehlverhalten schlicht beendet wird.


3. Mitarbeiterkriminalität


Typischer Fall ist, dass ein Mitarbeiter durch eine strafrechtswidrige Handlung, die er unter Ausnutzung seiner Funktion begeht, dem Unternehmen Schaden zufügt. Meist zielt der Mitarbeiter darauf ab, sich selbst oder einem Dritten einen Vorteil zu verschaffen. Bei einfachen Verstößen (zB Diebstahl zum Nachteil des Unternehmens) ist die Zielsetzung der Untersuchung evident: Das Interesse des Unternehmens ist auf die Geltendmachung des Schadens, auf die Verhinderung zukünftiger Schäden und auf die Auflösung des Dienstverhältnisses gerichtet.


In Fällen der Mitarbeiterkriminalität wird das Unternehmen nicht strafrechtlich verfolgt, da die Straftat nicht zum Vorteil des Unternehmens begangen wurde. Insofern deckt sich im Fall einer Anzeige durch das Unternehmen das Interesse des Unternehmens mit dem der Strafverfolgungsbehörde, nämlich die umfassende Aufklärung des Sachverhaltes. Aus Sicht des Täters besteht sein Interesse darin, ein Strafverfahren zu vermeiden und das Dienstverhältnis einvernehmlich zu beenden. Ob das Vermeiden eines Strafverfahrens möglich ist, hängt davon ab, ob das Delikt reuefähig ist und der Täter in der Lage ist den gesamten Schaden zu ermitteln und zu erstatten. Kommt tätige Reue nicht in Frage, hängt der Mitarbeiter im Hinblick auf eine mögliche strafrechtliche Verfolgung vom Wohlwollen des Unternehmens ab.


4. Unternehmenskriminalität


Charakteristisch für die Unternehmenskriminalität ist, dass ein Manager durch eine strafrechtswidrige Handlung, die er unter Ausnutzung seiner Funktion begeht, Vorteile für das Unternehmen zu erlangen versucht. Der Manager will sich selbst unmittelbar aus der strafrechtswidrigen Handlung keinen Vorteil verschaffen (allenfalls indirekt über Zielerreichung und Bonuszahlungen). Er ist zunächst der Auffassung, im vermeintlichen Interesse des Unternehmens zu handeln.


Im Unterschied zur Mitarbeiterkriminalität ist die Bestimmung des Unternehmensinteresses in Fällen von Unternehmenskriminalität komplexer und erfordert eine gründliche Analyse. Das Unternehmensinteresse liegt im Spannungsfeld zwischen dem häufig medial kommunizierten Anspruch umfassender Aufklärung samt voller Kooperation mit den Behörden und der gesellschaftsrechtlich notwendigen internen Aufklärung, die die Grundlage zur Beurteilung von arbeitsrechtlichen und zivilrechtlichen Ansprüchen bildet. Dazu kommt die Abwehr von straf- und zivilrechtlichen Haftungen (etwa durch geschädigte Kunden) sowie die Verhinderung von Reputationsschäden. Die Ursache für die komplexe Themenlage ist, dass die potenzielle kriminelle Handlung zum Vorteil des Unternehmens erfolgt ist und damit eine strafrechtliche und zivilrechtliche Haftung des Unternehmens möglich ist. Damit stehen die Unternehmensverteidigung sowie die interne Aufklärung, aber insbesondere die externe Aufklärung durch Strafverfolgungsbehörden in einem Spannungsverhältnis zueinander. Dieses grundsätzliche Spannungsverhältnis wird dadurch verstärkt, dass nicht nur eine strafrechtliche Haftung des Unternehmens bestehen kann, sondern auch jener Manager (Entscheidungsträger), die im vermeintlichen Unternehmensinteresse gehandelt haben. Ist der verdächtige Manager ein Mitglied des Vorstands, wird es zusätzlich komplex; das persönliche Interesse des Vorstandsmitglieds ist vom Unternehmensinteresse zu trennen. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass der Manager dadurch Straffreiheit erlangen könnte, indem er die Kronzeugenregelung in Anspruch nimmt und dadurch zum Gegenspieler des Unternehmens wird.


5. Leiter der Untersuchung und Unternehmensinteresse


Praktisch stellen sich diese Themen vor allem für den Leiter der Untersuchung. Um die Zielsetzung der Untersuchung im Fall der Unternehmenskriminalität und bei kartellrechtlichen Vorwürfen zu erkennen, muss für ihn klar sein, mit wem er das Interesse des Unternehmens erörtert und wer das Unternehmensinteresse letztendlich festlegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Unternehmensinteresse im Lauf der Untersuchung auch ändern kann.


Wenn die Vorwürfe gegen eine Führungskraft der ersten Ebene gerichtet sind, wird der Leiter der Untersuchung hauptsächlich mit dem zuständigen Vorstandsmitglied und gegebenenfalls dem Gesamtvorstand die Unternehmensinteressen erörtern. Wenn die Vorwürfe hingegen ein Vorstandsmitglied betreffen, sind die nicht betroffenen Vorstandsmitglieder und der Vorsitzende des Aufsichtsrates gefordert. Bei Vorwürfen gegen ein Mitglied des Aufsichtsrates müssen sich der Vorsitzende des Aufsichtsrates und der Vorstandsvorsitzende mit den Unternehmensinteressen auseinandersetzen. Hierbei ist es entscheidend, mögliche Untersuchungsergebnisse und die daraus resultierenden Konsequenzen im Voraus zu bedenken. Zu prüfen ist, ob die Konsequenzen der Untersuchung bei einer Gesamtabwägung von Aufwand, Nutzen und möglichen Schäden im Unternehmensinteresse liegen und damit der Zielsetzung der Untersuchung entsprechen.


6. Konsequenzen einer fehlenden Bestimmung der Unternehmensinteressen


Wenn keine klare Festlegung der Unternehmensinteressen erfolgt, wird sich – insbesondere bei Druck durch Behörden und Medien ­– rasch das Bild einer orientierungslosen und möglicherweise fehlerbehafteten Untersuchung zeigen. In solchen Situationen zeigt sich, ob Vorstand und Aufsichtsrat in der Lage sind Entscheidungen zu treffen, die tatsächlich im Unternehmensinteresse liegen und nicht etwa in machtpolitischen Interessen. Fehlen solche Festlegungen, zieht sich dies wie ein roter Faden durch die Untersuchung und erforderliche operative Entscheidungen können nicht getroffen werden. Beispielsweise bleibt für den Untersuchungsleiter dann unklar, wie er auf Anfragen von Strafverfolgungsbehörden (etwa im Zusammenhang mit einer Prüfung eines Anfangsverdachtes) oder auf interne Anfragen des von der Verdachtslage betroffenen Vorstandsmitglieds reagieren soll.




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